Karl Pfeifer

Staatliche Judenhetze ist keine "politische Rhetorik"

Die Wiener Stadtzeitung Falter hat den Abdruck von Karl Pfeifers Antwort auf Franz Leidenmühlers Kommentar "Rationalität der Bombe" (Falter 8/2006) ohne jegliche Angabe von Gründen abgelehnt.

Sechs Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg kehrte ich in das Land zurück, in dem ich geboren wurde. Es plagte mich die Neugier zu erfahren, weshalb all die Warnungen vor Hitler nicht gewirkt hatten. Denn gewarnt wurde, doch die meisten Intellektuellen - und nicht nur in Deutschland und Österreich - ließen sich täuschen. Sie akzeptierten die Litanei, dass Deutschland nur das Unrecht von Versailles beseitigen wolle. Die wilde Judenhetze fanden einige übertrieben, aber sie wurde nicht ernst genommen. Linke glaubten, Hitler sei ein Werkzeug der Kapitalisten und meine es nicht so ernst. Das seien doch nur rhetorische Übungen.

Im Falter 8/2006 las ich in Franz Leidenmühlers Kommentar "Rationalität der Bombe" von der "dem iranischen Regime schon länger unterstellte[n] Unterstützung von Terrorgruppen" und erinnerte mich, wie es auch während der letzten Jahre der Ersten Republik Menschen gab, die sich beharrlich weigerten zur Kenntnis zu nehmen, dass die einheimischen Nazi aus dem "Reich" unterstützt wurden.

Leidenmühler lehrt Völker- und Europarecht an der Johannes Kepler Universität Linz und man kann ihm zumuten, sich gelegentlich wenigstens eine englischsprachige iranische Website anzuschauen. Dort wird zwar der Terror gegen Schiiten im Irak leidenschaftlich abgelehnt, nicht aber der Terror gegen israelische und jüdische Zivilisten. Vor einigen Jahren wurde das jüdische Gemeindehaus in Buenos Aires gesprengt und iranische Diplomaten waren involviert. Peter Pilz hat auch über die Rolle des gegenwärtigen iranischen Staatspräsidenten bei der Ermordung einiger kurdischer Politiker in Wien berichtet. Aber solche Tatsachen kann oder will ein anscheinend geeichter Friedenskämpfer nicht bemerken.

Leidenmühler erzählt uns auch, dass sich der Iran "grundsätzlich an die Vorschriften des Atomsperrvertrages und die Auflagen der IAEO" hält. Das entspricht laut Erklärung der IAEO nicht den Tatsachen. Doch können wir uns - so Leidenmühler - unbesorgt zurücklehnen, denn "im August des Vorjahres hat Ajatollah Khamenei sogar in einer Fatwa die Produktion und den Einsatz von Nuklearwaffen für illegal erklärt". Das Problem mit solchen Erklärungen ist, dass sie nicht das Papier wert sind, auf dem sie geschrieben sind. Das lehrt uns die leidvolle Geschichte.

Da lesen wir in den Zeitungen, dass der Iran die führenden Holocaustleugner zu einer Konferenz nach Teheran einladen will. Am 24. Dezember 2005 veröffentlichte die iranische Presseagentur Mehr auch die Liste derjenigen, die man beabsichtigt einzuladen. Und Mehr News bringt auch deren Erklärungen, so zum Beispiel am 9. November diejenige von Robert Faurisson. Bereits am 20. Dezember 2004 brachte Mehr News ein Interview mit diesem "prominenten" Holocaustleugner. Solche Texte werden von den verschiedenen Neonazi-Internetmedien gerne nachgedruckt.

Vom 19. bis 23. Oktober 2005 fand in Frankfurt am Main die jährliche Buchmesse statt. Da konnte man im iranischen Pavillon die Protokolle der Weisen von Zion und andere antisemitische Hetzschriften sehen. (Am 28. Oktober 2005 publizierte Wall Street Journal einen Artikel von Matthias Küntzel über diesen Skandal.) Immerhin haben die Protokolle bereits die Phantasien von Hitler angeregt.

Wenn auch nicht alle Zeitungen lesen, Fernsehen konsumieren die meisten. Memri (Middle East Media Research Institute) registriert, was von iranischen Fernsehanstalten ausgestrahlt wird:

Und noch habe ich kein Wort von den holocaustleugnenden Erklärungen von Präsident Ahmadinejad geschrieben.

Doch kehren wir zurück zu Franz Leidenmühler: "Die zuletzt von Präsident Ahmadinejad wiederholten Aussagen, wonach der Staat Israel von der politischen Landkarte zu tilgen sei, sind wohl eher als politische Rhetorik denn als die Formulierung einer Angriffsabsicht zu verstehen."

Erinnern wir uns, als Hitler, Goebbels, Rosenberg und Streicher ihre judenfeindliche Hetze betrieben, gab es keine Entrüstung. Man spielte das als "politische Rhetorik" herunter. Friedensfreunde erklärten gegen den Krieg zu sein, von dem doch nur die Kapitalisten und Rüstungsindustriellen profitierten. 1939 wandten sich in Großbritannien die Kommunisten gegen den Krieg, in Frankreich wollten sie sich 1940 von der deutschen Besatzungsmacht anerkennen lassen. Doch spätestens 1945 musste man erkennen, welche schrecklichen Taten der Hetze gefolgt waren.

Man sollte die iranischen Judenhasser ernst nehmen.


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