Karl Pfeifer

Die AIK, der Faschist Seselj und die "kulturelle Identität"



Die Antiimperialistische Koordination (AIK) hat am 21. Mai den Text "Auf nach Den Haag zum Vidovdan" auf ihre Homepage gesetzt. In diesem wird offen für den serbischen rechtsextremen Anführer Vojislav Seselj geworben: "Der Widerstand, den ein Volk in der Lage ist, den entmenschten Bestien und Schlächtern des Imperiums entgegenzusetzen, hängt maßgeblich von seiner Fähigkeit ab, seine kulturelle Identität zu wahren, sich der Amerikanisierung entgegenzustellen, seine nationale Würde zu erhalten und zu entwickeln. [...] Das serbische Volk verteidigt im Gegensatz dazu seine Kultur noch immer. Keinen geringen Anteil daran haben Slobodan Milosevic und Vojislav Seselj."

Für die extreme Rechte ist die Frontstellung gegen die USA - ausgedrückt etwa in der Gegenüberstellung von Kultur hier, Zivilisation dort - fundamental; denn ihr gilt Amerika als Hort der Verwilderung, als negative Projektionsfläche für Entwicklungen, die die extreme Rechte als Dekadenz, Hort der Kriminalität oder als multikulturelle Gesellschaft bezeichnet. Aber auch die AIK ist begeistert, wenn sich serbische Faschisten "der Amerikanisierung" entgegenstellen. So preist sie "solche herausragenden Persönlichkeiten [...] wie Slobodan Milosevic, Vojislav Seselj, Momcilo Krajisnik, Radovan Karadzic, Ratko Mladic", die wegen ihrer Verbrechen vom Haager Gerichtshof angeklagt sind, und wirbt zur Unterstützung dieser Vertreter des "serbischen Heldentums" in Form von Demonstrationen. Jeder "einzelne Demonstrant", der in Den Haag die "serbischen Brüder und Schwester" unterstütze, sei "den Feinden der Menschheit in Menschengestalt ein Dorn im Auge". Denn damit werde "an das unterirdische Potential gemahnt, welches, ob als Untergrundkampf der Baath-Partei im Irak unter Führung von Saddam Hussein, als Guerillakrieg der FARC in Kolumbien, als Ringen um die Erdölproduktion in Venezuela, als Kampf koreanischer Wissenschaftler und Techniker um strategische Raketen und Kernenergie und kubanischer Mediziner um die Beherrschung tödlicher, von den USA gezeugter Seuchen, an vielen Plätzen und in vielen Formen mehr in der Welt, und eben auch als Kampf um die serbische Kultur die Vorherrschaft der USA und damit des Imperialismus in der Welt zunächst unterhöhlen, dann eindämmen und in nicht allzu ferner Zukunft beseitigen wird".

Tatsächlich hat nicht nur die AIK, sondern haben auch Neonazis und Rechtsextreme für die Verteidigung der irakischen Baath-Diktatur mobil gemacht, und das ist kein Zufall. Zum einen sahen sie in Saddam Hussein ein Bollwerk gegen den "US-Imperialismus", den sie als "Hauptfeind der Völker der Welt" identifizieren. Zum anderen unterstützten Neonazis, Rechtsextremisten und AIK die ausgesprochene Israel-Feindschaft und den Antisemitismus des irakischen Baath-Regimes, das immer wieder mit Angriffen auf Israel drohte und die Familien der Selbstmordattentäter finanziell unterstützte.

Slobodan Milosevic war ein "Sozialist", der im vermeintlichen Interesse der Serben, in Wirklichkeit um seine Karriere zu fördern, nicht zögerte, sich ab 1987 mit dem Faschisten und Tschetnikanführer Vojislav Seselj, einem Befürworter von "Großserbien", zu verbünden. Noch aus dem Haager Gefängnis forderte Milosevic auf, Seselj zu wählen.

Die serbischen königstreuen Tschetniks haben während des Zweiten Weltkriegs gelegentlich auch mit den Nazis zusammengearbeitet. Der bekannteste Tschetnik-Führer, Momcila Djuic, kürte im Sommer 1991 aus seinem USA-Exil den berüchtigten Anführer der Miliz der "Weißen Adler", Seselj, zum neuen "Vojvod" (Feldherrn) und gab ihm den Rat, alle "Kroaten, Albaner und andere Elemente aus dem heiligen serbischen Land zu vertreiben". 1995 veröffentlichte das Seselj-Organ "Großserbien" einen Grundsatzartikel über die Vertreibung der Albaner aus dem Kosovo. Seselj führte bis vor kurzem die ultra-nationalistische Serbische Radikale Partei (SRS) an. Diese wurde 1992 zur zweitstärksten Partei in Serbien.

Im Oktober 1995 reiste der russische Faschist Schirinowski nach Belgrad und schloss ein Kooperationsabkommen mit Seseljs Partei ab. Die beiden vereint ein völkischer "Antiimperialismus" und ein antiamerikanischer Antisemitismus.

Anfang 1997 besuchte der französische rechtsextreme Parteiführer Jean-Marie Le Pen Serbien, wo er von Seselj empfangen wurde. Auch der Front National und die SRS schlossen ein Kooperationsabkommen ab. Le Pen und Seselj besuchten gemeinsam die Führung der bosnischen Serben in Pale, wo der französische Rechtsextreme die "gemeinsamen Werte aller Patrioten der Welt, ihre Verbundenheit mit ihrer Erde und ihrem Vaterland" beschwor. Le Pen geißelte ferner - unter Bezugnahme auf die Den Haager Anklagen wegen Kriegsverbrechen im ehemaligen Jugoslawien - die westlichen Länder, die "die Kinder des Irak durch die Blockade töten", mit den Worten: "die Kriminellen wollen sich zu Richtern aufschwingen".
Seseljs Partei ist Mitglied des "Euro-Nat", einer von Le Pen gegründeten Vereinigung von "Nationalisten", der u. a. auch die vom ungarischen Antisemiten Istvan Csurka angeführte MIEP und die vom ehemaligen Ceausescu-Agenten und schon immer antisemitischen Corneliu Tudor angeführte Großrumänische Partei angehört.

Die Welt am Sonntag vom 27. 10. 2002 berichtete über Seseljs Waffengeschäfte mit dem Irak u. a.:

"Die Serbische Radikale Partei und die irakische Baath-Partei verständigten sich im Jahr 2001 auch darauf, 'die ideologische Zusammenarbeit zu vertiefen'. Ziel sei es, 'alle patriotischen Kräfte in der Welt, die amerikanische Hegemonie ablehnen, zu vereinigen'. [...] Anfang Mai 2002 reiste der Serbe erneut nach Bagdad. Der so genannte Freundschaftsbesuch sollte geheim bleiben, wurde jedoch von der Belgrader Zeitung 'Danas' aufgedeckt. Wenig später meldete dann auch das irakische Fernsehen, dass 'ein guter Freund und Anti-Imperialist aus Serbien' gemeinsam mit Vizepräsident Ramadan die Lage erörtert sowie die 'aggressiven und terroristischen Drohungen der Amerikaner' aufs Schärfste verurteilt hätte.
Seselj befand sich während seines Besuchs in bester Gesellschaft: Zur gleichen Zeit hielten sich auch [...] der russische Ultranationalist Boris Schirinowski sowie der ehemalige russische Verteidigungsminister Igor Rodionv mit seinem Stabschef Michail Moiseev in der irakischen Hauptstadt auf. Sie nahmen, wie Seselj, an einer 'Solidaritätskonferenz für das irakische Volk' teil. Die Serbische Radikale Partei hatte inzwischen ein Büro in Bagdad geöffnet, um 'die serbisch-irakische Völkerfreundschaft weiter zu intensivieren'.
Erster Nutznießer sei Seselj selbst gewesen, der bei den serbischen Präsidentenwahlen vor ein paar Wochen 22,7 Prozent der Stimmen bekommen hatte. Seinen Wahlkampf habe Seselj aus den Profiten der sehr lukrativen Waffendeals mit Saddam Hussein finanziert. In Nikosia sprechen serbische Informanten von sieben Millionen Dollar, die Seselj für seine 'guten Vermittlungsdienste' erhalten habe.
Der serbische Faschist sorgte dafür, dass der Irak Motoren für MiG-21 und MiG-23-Kampfflugzeuge sowie Ersatzteile für die Luftverteidigung bekam. Diese wurden meist in ukrainischen Frachtflugzeugen geliefert. Größere Lieferungen gingen nach Erkenntnissen westlicher Geheimdienste vom montenegrinischen Hafen Bar ins syrische Lattakia, wo sich ein Sohn des syrischen Verteidigungsministers Mustafa Tlass um den erfolgreichen Weitertransport bemühte. Seit dieser Woche dürfte dieser Weg nun nicht mehr für Waffenschmuggel im großen Ausmaß zur Verfügung stehen."


Soweit die Welt am Sonntag.

Nun steht Seselj als Angeklagter vor dem internationalen Gericht in Den Haag. Im Flugzeug nach Amsterdam Ende Februar erklärte Seselj gegenüber der Associated Press, dass er sich stelle, "um das teuflische Gericht, dieses amerikanische Instrument gegen die Serben zu zerstören".
Das Haager Gericht klagt Seselj in sechs Fällen des Kriegsverbrechens und in acht Fällen der Verbrechen gegen die Menschlichkeit an, inklusive Verfolgung, Folter und Tötung von Menschen während der Zeit Anfang der 90-er Jahre, als er Kommandant einer paramilitärischen Bande war.
"Er trägt persönlich Verantwortung", so das Gericht, "für Verbrechen, die Teil eines weitläufigen oder systematischen Angriffs gegen kroatische, moslemische oder andere nichtserbische Zivilisten war."

Wie schaut denn die "serbische Kultur" des Seselj und anderer "Nationalisten" aus, die auf der AIK-Homepage derartig gelobt wird?
Im TAZ Magazin vom 1. 3. 2003 fand ich im Artikel "Blut und Feuer" u. a. Folgendes:

"Die Belgrader Intellektuellengruppe 'Zentrum für geistige Dekontamination' kämpft seit Jahren um die ehrliche Auseinandersetzung mit der serbischen Vergangenheit und fordert die Umerziehung. Ohne Erfolg. Mittlerweile wagen viele der Mitarbeiter nicht mehr, in der Öffentlichkeit aufzutreten, unter anderem aus Angst vor den Schlägertrupps der SRS von Vojislav Seselj. Sie und die Skinheads der Stadt sprengten, mit Baseballschlägern bewaffnet, vor einem Jahr die erste Gayparade Belgrads. Unter dem Leitspruch ihres Idols Seselj ('Toleranz ist für Schwächlinge') schlugen sie auf die friedlichen Teilnehmer ein. Zu den Unterstützern der Prügelorgie gehörte die Kirche. Und als im gleichen Jahr der US-Fotograf Ron Haviv eine Ausstellung über Jugoslawiens Nationalismen plante, da meldeten sich die Radikalen wieder zu Wort und beschimpften ihn als 'dreckigen Juden', den 'die Nazis zu vergasen vergessen haben'. Die Behörden verboten Haviv die Ausstellung. Seselj ist auch auf diese Aktion stolz. Dieser Tage kann man seitenlange Interviews mit Seselj in der serbischen Presse lesen. Dort wird er als Opfer einer antiserbischen Justiz verklärt. Wie in dem Wochenmagazin NIN, in dem er ankündigt, dass eines Tages Serbien die verlorenen Territorien in Kroatien zurückerobern werde. Denn eines werde das serbische Volk nie tun: das Leid, das ihm angetan wurde, je vergessen."

Das ist der rechtsextreme Dunstkreis, den die AIK auf ihrer Homepage propagiert.


« zurück